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Nur ein kleines bisschen Prostitution

Schüchtern, gespannt und verunsichert sitzen 25 Mädchen im Kreis. Den haben der Pfarrer und die Sozialarbeiterin aus Deutschland angeordnet, um mit den Schülerinnen der Hauswirtschaftsschule Madihani in Tansania ins Gespräch zu kommen. Die Umgebung ist traumhaft: bizarre, scharfe, steile Bergrücken, und in der Ferne beziehungsweise Tiefe, am Ende des Steilabfalls von 1200 Metern, glitzert die Nordspitze des Nyassasees. Bizarr ist auch die Situation: 15- bis 20jährige Afrikanerinnen, bettelarm, mit gerade mal siebenjähriger Grundschulbildung, werden vom munteren Ortspfarrer, der geschickt dolmetscht, ermutigt, den Mund aufzumachen, egal in welcher ihrer Muttersprachen, ob Kikinga, Kimagoma, Kibena oder Kiswahili, Hauptsache: Ihre Anliegen, Sorgen und Hoffnungen werden artikuliert. Und einige fassen sich tatsächlich ein Herz und sprechen über ihren Wunsch, auf eigenen Beinen zu stehen, vielleicht mit einer Nähmaschine eine eigene Existenz aufzubauen, gesund zu bleiben, HIV/AIDS zu vermeiden, vielleicht einen Mann zu finden, der ausnahmsweise etwas taugt, nicht zu viele Kinder zu bekommen. Manche möchten zur Sekundarschule gehen, wissen aber nicht, wie sie das Schulgeld auftreiben sollen. Alle wollen raus aus der Falle der Armut und der weiblichen Rechtlosigkeit. Und sie schildern tatsächlich, wie sie versuchen, zu ein paar Schillingen zu kommen. Es gibt genug Männer, die gern mal etwas bezahlen für gewisse Gegenleistungen, Armuts- und Gelegenheitsprostitution eben. Die drei anwesenden Lehrerinnen hören es – und verziehen keine Miene. Etwas perplex fragen die deutschen Gäste nach: Ist das weit verbreitet? Auch unter euch? Sie werden beruhigt: Nein, nein, es ist nicht gang und gäbe. Das tut nur etwa die Hälfte von uns. Nur 50%.

Die Mädchen hören, dass jede von ihnen nach erfolgreichem Abschluss des zweijährigen Kurses (nähen, kochen, waschen, Babypflege) von einem Kreis von Sponsoren, von Tansaniafreunden in Deutschland, eine Nähmaschine, made in China, Marke „Butterfly“, geschenkt bekommen wird. Der Jubel ist groß. Sie hören, dass man als Mädchen und junge Frau das Recht hat, Nein zu sagen gegenüber aufdringlichen Freiern, Nein zu sagen gegenüber leichtsinnigen Kondomverächtern, Nein zu sagen gegenüber einer traditionalistischen Verwandtschaft, die ihnen die alte Rolle der Gebärmaschine und Feldarbeiterin festschreiben wollen. Der Jubel ist riesengroß. Es war nur ein zweistündiges Rundgespräch, aber ihm folgte ein dreistündiger ausgelassener, ja ekstatischer Tanz ums Lagerfeuer, mit Liedern, die Gottes Gnade und Liebe beschworen.

Nur ein „bisschen“ Prostitution? Auf jeden Fall eine geballte Ladung Lebensfreude und Zukunftshoffnung, hinten im letzten Dorf der Livingstone Mountains.

Hartmut Barsnick

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