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Ein praller Gottesdienst

Usungilo ist ein kleines, armes Bergdorf hoch oben in den Livingstone Mountains von Tansania. 2600 Meter über dem Meeresspiegel, zu kalt für gute Ernten. Man lebt mehr schlecht als recht von der Holzkohleherstellung und mickrigem Maisanbau. Aber man lebt auch von einem gesunden Gottvertrauen und einem Gemeinschaftssinn, der in der örtlichen evangelisch-lutherischen gefüttert und gestärkt wird.

Das war in geballter Form am Sonntag, 8. November 2009 zu erleben. Pfarrer-Missionar Hartmut Barsnick war zu einem Konfirmationsgottesdienst eingeladen. Als er um 9.30 Uhr, eine halbe Stunde vor Beginn, eintraf, nachdem er 15 Kilometer Schlammpiste bezwungen hatte, drang schon lebhaftes Singen aus dem Kirchlein. Im benachbarten Häuschen der Evangelistin Zaina Chengula gab es vor Beginn des Gottesdienstes süßen Tee und trockenes Brot zur Begrüßung. Um 10 Uhr war die Kirche dann proppevoll. Die Bänke gefüllt, unzählige Kinder saßen auf dem Zementboden des Altarraumes. Die Kirche hat keine Glocke – aber wohl eine rostige Autofelge als Ersatz. Keine Orgel – aber eine große Trommel. Keine Fensterscheiben – wohl aber Fensterläden aus Holz. Kein Taufbecken – wohl aber eine Blechschüssel für den gleichen Zweck. Nur wacklige transportable Holzbänke ohne Lehne – wohl aber den Plan, demnächst vom örtlichen Tischler stabile Bänke herstellen zu lassen. In solch einer armen Kirche hat Jesus von Nazareth, der Freund der Armen, es nicht schwer, heimisch zu werden, spürbar anwesend zu sein.

Die 9 Mädchen und Jungen, die konfirmiert werden, ziehen unter eigenem Gesang mit rhythmischen Schritten ein und dürfen gleich als Jugendchor agieren, müssen sich dann aber erst einmal gedulden. Zunächst wird nämlich Zaina als neue Evangelistin von Pfarrer Adrick Mwambemba, dem Pfarrer des Sprengels Mang’oto, ordiniert und eingesegnet. Danach kommen drei ältere Frauen nach vorn. Sie hatten sich von der Gemeinde und Kirche getrennt. Vielleicht waren sie zum Wunderheiler gegangen oder hatten dem Alkohol zugesprochen. Nun werden sie unter Gebet und Segen und anerkennendem Jubel der Gemeinde wieder aufgenommen. Doch die Konfirmanden sind immer noch nicht dran. 17 junge Mädchen, Schülerinnen des Frauenprojektes „Mategemeo“ zeigen mehrfach, wie gut sie als Chor fungieren können. Nun umrahmen sie ein fröhliches Gewühl vor dem Altar: Sechs Babies werden von ihren Müttern zur Taufe gebracht, Großmütter und Tanten treten hinzu, aber nur ein Vater. Auch ein erwachsener junger Mann, Bruder der Evangelistin, begehrt die Taufe. Sieben Mal spricht Pfarrer Barsnick halb mühsam, halb locker, die Segensformeln auf Swahili. Nur ein Kind protestiert schreiend und weinend. Doch nun sind endlich die Konfirmanden dran. Drei der Mädchen sind ganz in Weiß gekleidet, wie Bräute. Die anderen können sich feine Kleidung nicht leisten. Gemeinsam sprechen sie fließend das Glaubensbekenntnis und etwas stockend die anderen Texte. Wieder darf der deutsche Missionar die Einsegnung vornehmen, nachdem er für (nach tansanischen Verhältnissen) kurze 20 Minuten gepredigt hatte. Als Geschenk der Partnergemeinde Ströbeck, Kirchenkreis Halberstadt, überreicht er jedem eine Swahili-Bibel und als Neuerung eine in den USA als Spende gedruckte Konfirmationsurkunde. Unter anerkennendem Jubel der ganzen Gemeinde werden die Jugendlichen beglückwünscht und von Verwandten mit bunten Ketten behängt – und dürfen wieder singen. Nun wird mit richtigem Brot und Traubensaft das Abendmahl gefeiert, zuerst die Konfirmanden, dann über 100 Erwachsene und ältere Jugendliche in mehreren Schichten, oft so dicht gedrängt, dass die Pastoren Mwambemba und Barsnick Mühe haben, Brotstücke und Einzelkelche in die richtigen Hände zu geben. Danach dauert es mindestens 10 Minuten, bis alle Anwesenden ihre Kollekte nach vorn gebraucht und in eine der zahlreichen Schälchen gelegt haben. Selbst wer keine Schuhe und nur zerrissene Kleidung hat, trägt ein Scherflein bei.

Nach dem Schlusssegen ist der Gottesdienst aber beileibe noch nicht beendet. Pastor Mwambemba informiert über die Partnerschaftsarbeit, die neue Schwesternschule in Bulongwa, den Stand des örtlichen Wasserprojektes, die Herstellung stabiler Kirchenbänke. Und jetzt, nach „nur“ 2 ½ Stunden, gibt er das Zeichen, dass man das Kirchengebäude verlässt – nicht aber etwa gleich nach Hause geht, sondern auf dem Vorplatz einen Halbkreis bildet, noch einmal dem Mategemeo-Chor lauscht und vom deutschen Gastpfarrer den jetzt wirklich allerletzten Segen erhält. Pünktlich setzt der tägliche Regen ein, doch nur wenige trauen sich. Die meister der Konfirmanden, die Mädchen aus Mang’oto und etliche Kinder bleiben zu einem Mittagessen in der Kirche: Reis und Bohnen. Die Pastoren und drei Evangelisten werden aber für ihre Arbeit belohnt und bekommen auch etwas „Kuku“ – gekochtes Hähnchenfleisch – in Zainas kleiner „guter Stube“ unter dem schützenden Wellblechdach, auf das der Regen prasselt.

Dem Wetter zum Trotz: Es war ein sonniger, wärmender, Mut machender Sonntag, ein prall gefüllter Gottesdienst mit allen denkbaren Elementen der Feier der Liebe Gottes in einer wachsenden Gemeinde. Kirche in Usungilo ist „Kirche der Armen“, ganz gewiß –und dennoch: reich an Gaben, reich an Segen, reich an Liebe. Mungu shukuriwe (Gott sei Dank).

Hartmut Barsnick

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